im Kulturbund Berlin
Viele von uns kennen René Graetz. Manche seit vielen Jahren. Für die einen ist er ein Besserwisser, für die anderen ein unverbesserlicher Querulant. Es gibt solche, die meinen, er sei ein halber oder sogar ein ganzer Epigone – und andere wieder, die sagen, er sei sogar ein Formalist. Es gibt Leute, die René Graetz‘ Naivität als raffiniert getarnten Intellektualismus bezeichnen, und es gibt wieder andere Leute, die seine Begeisterungsfähigkeit als verantwortungslose Schwärmerei gegenüber dem „Ernst der Stunde“ ansehen. Es gibt manche Künstler, die Graetz im Geheimen seine starke künstlerische Phantasie zuerkennen, gleichzeitig aber nicht mehr fähig zu sein scheinen, den kleinen Blickwinkel ihrer eigenen Entwicklungssituation erweitern zu wollen.
Alle diese angeführten widersinnigen Oberflächlichkeiten, die ich seitenlang erweitern könnte, haben René Graetz in eine äußerliche Isolierung gebracht. Nicht aber in eine innerliche. Graetz hat nie die gesellschaftliche Funktion der Kunst geleugnet. Daß sein Beitrag hierzu äußerlich anders aussieht, als es manche gewichtigen Theoretiker bei uns sich vorstellen, beweist nur, daß künstlerisches Schöpfertum die Theorien erzeugt und nicht umgekehrt. Fangen wir endlich an, in Zeichnungen, Bildern und Plastiken nicht zum Überdruß bekannte Gemeinplätze sogenannter wissenschaftlicher Erkenntnistheorien zu suchen, sondern lassen wir die Sprache der Kunst selbst sprechen und auf uns einwirken. Schließlich beweist auch unsere schnellebige Zeit, daß die Kunst selbst zäher ist als die jeweilige Tagesforderung. Hören wir endlich auf, unsere eigenen Reihen zu schwächen, dadurch, daß wir nach Buchstaben, I – Pünktchen, Maßstäbe suchen, wonach wir hochpolitische Prinzipien gefördert oder nicht gefördert sehen. Fangen wir endlich an, beim einzelnen Künstler zu prüfen, wes Geistes Kind er wirklich ist.
Die Arbeiten René Graetz‘, die Sie hier sehen, haben als Grundthema Krieg und Frieden. Und was gibt es denn wohl Größeres, Wichtigeres in unserer Zeit, als dieses Thema. … Die Schönheit der künstlerischen Sprachform ist alles andere als kleinbürgerlich-süß, sondern stark und kräftig, wie sie dem Lebensgefühl einer neuen, zur endgültigen Befreiung schreitenden Menschheit entspricht. Die Arbeiten von René Graetz‘ beweisen, daß die Erscheinungen und künstlerischen Formen überlebter Ideologien und Zeitläufe uns zu dienen vermögen. Sie deuten an, daß sie, mit fortschrittlichen neuen Geist erfüllt, die Qualität alter Formen an sich verwandelt. Sie sind weiter ein Beispiel dafür, daß sogenannte spätbürgerliche Formsprache geistig real angewendet, im Sinne fortschrittlichen Gedankenguts, zwar nicht die einzige, aber eine der neuen Qualitäten darstellt, die uns hilft, die Welt und die Menschen zu verändern. Sie sind ein Beweis für die Vielfalt dessen, was wir sozialistische Kunst nennen, für die Einheit dieses Geistes und die Verschiedenheit der Formen hierfür. Es ist für mich durch nichts, aber auch durch gar nichts erwiesen, daß sogenannte wirklichkeitsnähere Kunst eher tisch oder sozialistisch ist, als eine Kunst, die sich allgemein bekannter Symbole und Zeichen bedient.
Aber es ist ebenso natürlich, daß jede weitere Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit der Künstler selbst übernimmt. … Aber er hat ein Recht darauf, ganz und eindeutig als René Graetz, der ein Sozialist, ein Kommunist ist, sehr ernst genommen zu werden. Die Prüfungen, denen er in den letzten 14 Jahren, seit ich ihn kenne, unterlag, waren hart genug und beweisen, daß er sie bestanden hat. Phantasie, künstlerische Poesie und Kühnheit sind echte Forderungen und Wünsche an uns sozialistische Künstler. René Graetz hat sie.
Fritz Cremer